Ich muss zugeben, den Lallinger Winkel kannte ich bis vor kurzem auch nicht und das ist eigentlich schade. Diese Ecke Niederbayerns entspricht so gar nicht meiner Vorstellung vom rauen Bayerischen Wald, wo der kalte Wind pfeift und die Menschen verschlossen sind.

Der Lallinger Winkel ist so ziemlich das Gegenteil von diesem Klischee und das angenehme Klima hat dieser Gegend den Beinamen „Bayerisches Meran“ eingebracht.

Das Wetter ist mild, die Landschaft öffnet sich in die Donauebene und wird von den anderen Seiten von den Kammhöhen des Vorderen Bayerischen Waldes eingefasst.

Wenn Du gern wanderst, sanfte Hügel und kleine Orte magst, dann solltest Du in jedem Fall einmal darüber nachdenken, ein paar Tage hier zu verbringen. Und wenn Dir der Sinn nach mehr Kultur steht, dann ist Passau auch nicht weit.

Aber auch im Lallinger Winkel gibt es neben viel Landschaft so einiges zu entdecken:

1. Alte Bauernhäuser

In den kleinen Weilern um Lalling findest Du uralte Bauernhäuser, teilweise aus dem 18. Jahrhundert und immer noch sind sie bewohnt. Manche Familien leben schon wirklich seit ewigen Zeiten in ein und demselben Haus. Das nennt sich, glaube ich, Tradition.

Mir haben besonders die großen Balkone mit den gedrechselten Stützbalken gefallen. Sie sind immer gut überdacht, weil sie früher als zusätzlicher Trocknungsraum genutzt wurden. Aber heute kann ich mir das auch gut vorstellen, dort zu sitzen, den Blick über die weiter Landschaft schweifen lassen und dazu einen lokalen Most trinken.

An vielen der alten Bauernhäuser kommst Du bei Wanderungen durch den Lallinger Winkel vorbei und manchmal hast Du den Eindruck, die Zeit wäre stehen geblieben.

Die Katze döst im Schatten, die alten Holzschindeln sind ganz verwittert, der Holunder steht dicht am Haus, Wind und Wetter haben ihre Spuren hinterlassen und an der Kapelle sind Totenbretter angebracht.

Die Totenbretter sind übrigens auf den bayerischen und alemannischen Raum beschränkt. Heute wird diese Tradition nur noch in wenigen Gegenden gepflegt, der Bayerische Wald ist eine davon.

Früher wurden die Toten auf Brettern aufgebahrt und diese Bretter wurden dann draußen der Witterung ausgesetzt. Man glaubte, dass die Seele erst dann in den Himmel kommt, wenn das Totenbrett ganz verwittert ist. Heute werden die Bretter nur für verdiente Gemeindemitglieder aufgestellt und dann unter schützende Dächer von Kapellen. Das mit dem Fegefeuer ist wohl nicht mehr so aktuell.

2. Mostfest und Töpfermarkt

Der Lallinger Winkel ist auch die Obstschüssel des Bayerischen Waldes. So viel zum rauen Klima…

Und wo es viele Apfelbäume gibt, da wird auch Saft und eben Most gemacht. Alles regional und meist auch bio-zertifiziert. Und lecker.

Ende Mai findet immer der Töpfermarkt und das Mostfest statt, beide schon seit mehr als 30 Jahren. Das hat schon Tradition und wird groß gefeiert, inzwischen auch schon über die Ortsgrenzen hinweg.

Der Markt ist nicht gerade groß, aber wirklich schnuckelig mit schönen und originellen Sachen von lokalen Töpfermeistern.

Am Abend fließt dann der Most und sorgt im sonst dem Bier zugetanen Bayern für gute Stimmung. Wenn dann noch die Birkenthalerin für gute Stimmung sorgt, dann passt einfach alles.

Und vielleicht stößt Du auch mit der Mostkönigin an.

Voraussetzung ist allerdings, dass man auch das Niederbayerische versteht. Ich muss zugeben, ich habe so einiges verstanden, aber der Dialekt ist schon nicht ohne.

Kommst Du nicht aus Bayern, dann hast Du keine Chance, aber der Most schmeckt, egal, woher Du kommst.

3. Streuobsterlebnisgarten

Vor allem für Stadtkinder ist der Streuerlebnisgarten spannend.

Auf den Wiesen stehen Apfel-, Birn-, Zwetschgen- und Kirschbäume und sind so ein Paradies für Bienen. Deshalb siehst Du auch viele Bienenstöcke in der Gegend.

Ab und an büchst ein Volk aus, wenn es eine neue Königin gibt. Dann sind die Imker gut beschäftigt, erst die Königin und damit auch ihr Volk wieder einzufangen.

Und wenn Du dann durch so einen summenden Schwarm laufen musst, dann heißt es Mund zu und gaaaanz langsam gehen und bloß keine hektischen Bewegungen machen, damit die Bienen auch schön friedlich bleiben.

Ein wenig unheimlich ist es schon und ich muss zugeben, ich habe mich schon wohler gefühlt. Aber ich habe keinen Stich abbekommen, wohl alles richtig gemacht.

4. Feng Shui-Park

Eines meiner Highlights war der Feng Shui-Garten. Nachdem ich schon in Wiesent den buddhistischen Pavillion besucht habe, hat es mich nicht weiter überrascht, dass man hier auch den Gedanken des Feng Shui gegenüber aufgeschlossen ist.

Den Park gibt es schon seit 10 Jahren und mit dem Café und dem See ist er ein beliebter Ort, um eine Auszeit zu nehmen. Es waren tatsächlich schon einige im Wasser und Baden wird geduldet, auch wenn der See eigentlich kein Badesee ist.

Der ganze Park ist nach Feng Shui-Grundsätzen angelegt und strahlt eine besondere Ruhe aus, vor allem, wenn man den Rundweg unterhalb des Sees entlang geht.

Östliche und westliche Lehren sind hier harmonisch vereint und ein leckerer Kuchen auf der Terrasse mit Blick auf den See ist sicher auch keine schlechte Idee.

5. Galerie im Grünen

Wenn der Garten der Familie Feldmeier gerade geöffnet ist, dann ist er in jedem Fall einen Besuch wert.

Ich habe mich ja selbst im Gärtnern versucht, bin aber kläglich gescheitert. Und wenn ich dann solche Vorzeigegärten sehe, dann kann ich mir lebhaft vorstellen, wie viel Arbeit das sein muss.

Der See mit Blick auf die Hügel und die Kirche war dann schon fast zu idyllisch. Da könnte ich mir auch gut vorstellen, am Abend zu sitzen, die Gedanken ziehen zu lassen, den Grillen zuzuhören und einfach die Stimmung zu genießen.

Aber auch unter alten Bäumen laden Bänke zum Verweilen ein und Figuren aus Keramik setzen bunte Akzente im Gemüsegarten.

Bei jedem Schritt eröffnen sich neue Perspektiven und so ist dieser Garten schon ein echtes Gesamtkunstwerk.

6. Wanderwege

Die meisten Menschen, die in den Bayerischen Wald kommen, gehen hier wandern und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass es auch ziemlich viele Wanderwege von unterschiedlicher Länge und Schwierigkeit gibt.

Es werden auch immer mehr Themenwanderungen mit Führern angeboten und ich kann mir gut vorstellen, dass vor allem die Wanderung mit Sagen und Mythen richtig toll wird. Wie das aktuelle Angebot aussieht, wissen die supernetten und hilfsbereiten Damen von der Touristeninfo in Lalling.

Dort kannst Du Dir auch eine kostenlose Karte mit den Wanderwegen mitnehmen. Für mich war sie für meine Wanderung völlig ausreichend.

Da solltest Du in jedem Fall vorbeischauen und Dich auch über aktuelle Feste wie das alle zwei Jahre stattfindende Goldgräberfest. Das nächste gibt es übrigens in 2017.

Ich bin von Lalling aus den Steinbruchsteig (Wanderweg Nr.3) gelaufen. Der Weg ist gut beschildert, wenn Du im Uhrzeigersinn läufst, also so wie es auch in der Karte vorgeschlagen wird, auch wenn es ein Rundwanderweg ist.

Die erste Station ist der Feng Shui-Garten. Wenn Du ihn Dir nicht schon separat angeschaut hast, dann solltest Du ihn auf jeden Fall ganz anschauen und nicht nur den Teil, der zum Wanderweg gehört.

Der Steinbruchsteig führt an einer 600 Jahre alten Linde, einem alten Elektrizitätswerk, einer Mühle und einer Kneippanlage vorbei. An letzterer kannst Du Dich noch einmal schön erfrischen, bevor es den Hügel nach Lalling hinaufgeht.

Mir hat am besten das Stück entlang des murmelnden Baches gefallen, der an einem alten Steinbruch vorbeiführt. Die alten moosbewachsenen Steine, die nicht mehr abtransportiert wurden, die senkrechte Steinbruchwand, das hat was.

Entlang des ganzen Weges sind immer mal wieder Bänke zum Ausruhen, aber Du solltest in jedem Fall Wasser mitnehmen.

Die Tour geht 7,5 Kilometer und schon mal bergauf und bergab. Aber alles in allem ein schöner Weg. Ich war da ganz allein, aber wahrscheinlich auch nur deshalb, weil alle auf dem Mostfest waren.

Dennoch ist hier auch sonst deutlich weniger los wie auf den bekannten Wanderwegen. Wenn Du es also ein gern ein wenig ruhiger, aber dennoch idyllisch magst, dann sind die Wanderungen im Lallinger Winkel genau richtig für Dich.

7. Und sonst noch?

Die Barockkirche St. Stephanus hat auch eine Besonderheit aufzuweisen, nämlich die sogenannte „Türkenmadonna“.

Die gotische Marienstatue steht nicht wie so oft in einer Mondsichel, sondern auf einem ziemlich zusammengequetschten Kopf. Da sie aus dem Jahr 1400 stammt, als es noch keine Bedrohung durch die Osmanen gab, ist nicht so ganz klar, auf wessen Kopf sie steht. Die Bezeichnung ist daher ziemlich sicher neueren Datums. Aber woher sie kommt oder wem der Kopf gehört, das weiß keiner so genau.

Ich bin keine Kunsthistorikerin, aber für mich sah der Kopf gar nicht gotisch aus. Wer weiß, ob er nicht später hinzugefügt wurde.

Organisatorisches

Die besten Zeiten, um den Lallinger Winkel zu besuchen sind das Frühjahr, wenn die Obstbäume blühen und der Herbst, wenn die Bäume in warmen Tönen leuchten.

In und um Lalling gibt es viele Ferienwohnungen und kleine Pensionen. Ich habe im Hotel Thula übernachtet. Von dort hast Du einen tollen Blick auf die Landschaft und kannst auch einen schönen und modernen Spa-Bereich genießen. Ich muss zugeben, es war schon verlockend, am Abend oder am Morgen in den Pool zu springen, aber ich war nach dem Tag einfach zu müde 😉

Nach Lalling kommst Du am besten mit dem Auto, denn öffentliche Verkehrsmittel sind ziemlich rar. Busse fahren eigentlich fast nur zu Schulzeiten und das ist nicht gerade oft.

Und jetzt Du: Warst Du schon einmal im Bayerischen Wald? Welche Kleinode hast Du dort kennengelernt?
Bevor ich es vergesse, denke daran, dass Deine Grenzen nur im Kopf existieren.

{Offenlegung: Meine Reise wurde von der Touristen-Information Lallinger Winkel mit einer tollen Führung von Frau Fuchs und einer Übernachtung unterstützt . Vielen Dank dafür! Auf meinen Bericht hat das keinen Einfluss und mir wurden auch keine Vorgaben hinsichtlich des Inhalts gemacht.}

 
Dir hat der Beitrag gefallen? Dann teile ihn doch mit deinen Freunden